Exkurs zur Entstehung des Weinlandes Franken und zur Geschichte des Weinbaus


Die eigentliche Landschaftsbildung des heutigen Frankenlandes setzte erst im Tertiär, d.h. vor etwa 40 Millionen Jahren ein, und wieder war es das Wasser mit seiner Erosionskraft, das Täler einsägte, Berge und Ebenen entstehen ließ und schließlich im Zusammenhang mit dem Grabenbruch am Oberrhein eine gigantische Fließrichtungsumkehr der ganzen Flußläufe bewirkte, die letztlich die müßige Schlange Main erst entstehen ließ, indem sich alte Nord-Süd-Täler mit neuen Ost-West Talstücken zusammenschlängelten.

Wie um das Weinland Franken für alle Zeiten als solches in der Geographie festzuschreiben, ergab es sich hierbei, daß das Maindreieck zusammen mit der Fränkischen Saale und dem Oberlauf der Wern die deutliche Form einer Weintraube in die Landkarte zeichneten.

Wasser also lieferte den Nährboden, Wasser schuf die zahlreichen Hänge, an denen der Wein erst so richtig zum Kochen kommen kann, und vor noch nicht allzu langer Zeit entlarvte das Nitrat im beigefügten Wasser eine Reihe von Weinpanschern. Dionysos, der Weingott, und Okeanos, der Wassergott, halten für alle Zeiten zusammen.

Wir sind erdgeschichtlich noch im Tertiär, dem Erdzeitalter, in dem aus versteinerten Ablagerungen erstmals Laub und Traubenkerne der wilden Weinrebe nachgewiesen sind. Nun folgt weinbaugeschichtlich ein gewaltiger Sprung bis etwa 6000 v. Chr., wo einem vornehmen Menschen in der Nähe von Damaskus eine kleine Traubenpresse mit ins Grab gelegt wurde und damit der bis dato erste Weinbauer lokalisiert werden konnte. Dann jedoch verdichten sich die Nachweise für Weinbau schlagartig: im alten Mesopotamien waren die Schriftzeichen für Wein und Leben identisch, die Ägypter betrachteten Wein bereits als heiliges Getränk und die gesamte griechische Geschichte ist ohne Wein nicht denkbar. Homer erwähnt Wein und Reben in der Ilias 49mal und in der Odyssee gar 85mal.

In der Bibel ist nicht weniger als an 500 Stellen vom Wein die Rede, und Noah pflanzte als erstes Weinreben, nachdem er der Sintflut entkommen war. Als erstes Wunder verwandelt Jesus bei der Hochzeit zu Kana Wasser zu Wein.

Der Sprung von der christlichen Liturgie zu den drei Frankenaposteln wäre jetzt bereits ein leichter, aber es gilt noch ein wenig Licht in die Trinksitten unserer Vorfahren vor der Völkerwanderung zu bringen - der Kelten und der Germanen - und vor allem dem zweiten klassischen Wein-volk der Antike, den Römern, unsere Referenz zu erweisen.

Sowohl die Kelten als auch die Germanen waren große Weinliebhaber, wobei sie bis heute nur als Weinimporteure bekannt sind. Dies beweisen die zahllosen etruskischen Transportamphoren genauso wie die in keltischen Gräbern gefundenen etruskischen Weingeschirre, meist bestehend aus Schnabelkanne, Trinkschalen oder Trinkhörnern. Die Germanen bezogen ihren Wein hauptsächlich von den Römern, wie aus schriftlichen Quellen ersichtlich ist, und zwar zuerst aus dem Stammland und später in zunehmendem Maße aus der Provinz. So ist der mittlerweile fast lückenlos auch über die Zeit der Völkerwanderung hinweg nachgewiesene Weinbau an der Mosel von dem dort ansässigen römisch-gallischen Mischvolk wohl hauptsächlich dem Umstand zu verdanken, daß die eindringenden Germanen sich ihre gewohnte Weinquelle erhalten wollten.

Und nun wären wir bei den Römern und den möglichen Weinbauspuren in Franken, die zwar noch nicht nachgewiesen werden konnten, aber gleichwohl in der prähistorischen Luft liegen. Denn überall, wo römisches Kulturgut unsere Lande erreichte, wurde nicht nur Wein getrunken, sondern auch angebaut, dies beweisen die Ergebnisse an der Mosel genauso wie die in Winzer bei Regensburg. Der Limes als Grenze der römischen Macht stieß vom Odenwald herkommend bei Miltenberg an den Main und verlief von dort als nasse Grenze weiter nordwärts bis Aschaffenburg. Es wäre also durchaus naheliegend, daß der fränkische Weinbau schon bis auf die Zeitenwende zurückreicht und seine Wurzeln vielleicht in Weilbach oder in Obernburg entdeckt werden. Vielleicht liegen sie aber doch in Würzburg, das dem Geographen von Ravenna im fünften Jahrhundert n. Chr. bereits als Stadtwesen bekannt war.

Doch begeben wir uns nun auf mehr oder weniger festen historischen Boden und feiern weiterhin die heilige Thekla, die erste Äbtissin des Benediktinerinnenklosters Kleinochsenfurt, und Kitzingens erste Äbtissin St. Adelheid, die in Wirklichkeit Hadeloga hieß und die Schwester König Pippins war, als Begründerinnen des Weinbaus in Franken. Ihr segensreiches Wirken wäre jedoch ohne die Christianisierung Frankens gar nicht möglich geworden, womit wir endlich bei den drei Iroschotten Kilian, Kolonat und Totnan wären, denen man nachsagt, sie hätten ihren Meßwein noch im Reisegepäck mitgeführt.

Sie brachten Franken den christlichen Glauben und gaben ihr Leben dafür. Ihr Blut mußte fließen, damit fürderhin in der christlichen Eucharistie Wein zu Blut werden konnte; es ist somit auch nicht mehr als recht und billig, daß der heilige Kilian neben der Gottesmutter und dem heiligen Urban als klassischer Weinheiliger verehrt wird.

Zeitlich gesehen sind wir mittlerweile mit den beiden Weinäbtissinnen an der Wende vom siebten zum achten Jahrhundert n.Chr. angelangt, und es erscheinen nun auch die ersten schriftlichen Nachweise über den Weinbau in Franken, und zwar als erstes in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Fulda aus dem Jahr 777, welches das Königsgut Hammelburg mit acht Weinbergen (das heutige Schloß Saaleck mit dem Schloßberg) zugeeignet bekam. Würzburg folgt nur wenig später, und zwar am 14. des Weinmonds im 12. Regierungsjahr Karls des Großen, d.h. am 14. Oktober 779, wo es in einer auf Befehl des Kaisers angefertigten Markungsbeschreibung zwischen Würzburg und Randersacker heißt: «Danan in stachenhoug, danan in wolfgruoba, danan duruh den fredthantes wingarton mitten in die egga...« Der Weingarten des freien Franken Fredthant im Alandsgrund ist seither der erste schriftliche Beweis für Weinbau in Würzburg. Unsere Theorie auf einen wesentlich älteren Weinbau in Franken wird in diesen beiden ersten Schriftquellen wieder deutlich untermauert, denn acht Weinberge und auch nur ein guter Weinberg entstehen nicht in einem Jahr; außerdem gibt es da noch einen ziemlich deutlichen Beweis kurz vor dem Jahr 800, nämlich die Verordnung Karls des Großen «Capitulare de villis vel curtis imperii«, welche besagt, daß in allen königlichen Gütern mehr Weingärten anzulegen seien; mehr bedeutet, daß bereits etliche vorhanden waren.

Der Segen für den Weinbau war jedenfalls von kirchlicher wie weltlicher Obrigkeit gegeben. Hinzu kam noch ein klimatischer, der bis etwa zum Ende des Mittelalters um 1500 andauerte und dem Frankenland eine etwas höhere Jahresdurchschnittstemperatur als heute bescherte, so daß zur Hochblüte des Weinbaus die Anbaufläche in Franken sage und schreibe siebenmal so groß wie heute war, sich bis an den Obermain erstreckte und rund 40.000 ha umfaßte.

Klimatisch bedingt und politisch durch die furchtbaren Auswirkungen von Bauernkrieg, Markgräflerkriegen und Dreißigjährigem Krieg verstärkt, begann ab dem 16. Jahrhundert der Rückgang des Weinbaus, wenngleich zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Weinbaufläche mit rund 12.000 ha noch immer zweimal so groß wie heute war und die Pfalz mit seinerzeit 10.500 ha noch deutlich übertraf während die Pfalz heute eine Fläche von 22.800 ha aufweist und damit nur etwa 500 ha unter dem größten deutschen Anbaugebiet Rheinhessen liegt.

Der Weinbau stand bis zur Säkularisation deutlich unter der Prämisse der Quantität, hauptsächlich deshalb, weil es möglich war den Zehnten, also die Hauptsteuerlast, in Naturalien und somit auch in Wein abzuleisten.  »Masse vor Klasse« war die logische Konsequenz.

Hinzu kam, daß der Wein das Grundgetränk der Bevölkerung war und wesentlich höhere Trinkmengen als heutzutage durchaus alltäglich waren. Man kann davon ausgehen, daß im 16. Jahrhundert, als der Weinkonsum in Franken seinen Höhepunkt erreichte, in Weingegenden pro Tag und pro Kopf der Bevölkerung, d.h. die Frauen miteingerechnet, mindestens 5 Maß zu je 1,22 Liter getrunken wurden. Allerdings war der Alkoholgehalt des seinerzeitigen Massengutes deutlich niedriger als heutzutage. Und man benötigte vielerorts auch den Wein, um das Wasser trinkbar zu machen. Schon die Römer wußten um die bakterizide Wirkung des Weins, befahlen doch die romischen Feldherren ihren Söldnern, niemals Wasser alleine, sondern nur mit Wein gemischt zu trinken, ganz gleich, wo sie gerade Krieg führten.

Neben den Massenweinbergen mit zwanzig und mehr Sorten und Erträgen bis zu 60 Hektolitern gab es jedoch immer schon Qualitätsweinberge mit wenigen Sorten und einem geringen Hektarertrag von 7-15 Hektolitern. Auch ließ sich der gute Wein immer schon zu guten und bis zu zehnmal höheren Preisen als der mindere Wein verkaufen, der maximal 3-12 Pfennige pro Liter einbrachte und von dem die Gothaische Handelszeitung 1787 schreibt: »Der ganze Absatz würde vielleicht nicht die Hälfte oder den dritten Teil der Frankenweine wegnehmen, wenn nicht Weinhändler in Frankfurt oder in anderen Städten am Rhein sich derselben erbarmen würden.«

Nach der Säkularisation, der bereits die Vereinigung von Pfalz und Bayern und damit pfälzischer Weinimportdruck vorausgegangen war – die bayerischen Herzöge und Könige hatten, als die Pfalz zu Bayern kam, den Pfalzwein sehr gefördert und hoffähig gemacht - ergab sich, beginnend von der äußerst schlechten Vermarktungslage minderen Weines über die neuen französischen Weinimporte infolge der Allianz Frankreich-Bayern noch ein gewichtiger Grund für den dramatischen Rückgang im Weinanbau: Ab 1830 mußten Grundsteuer, Weinzehnt, Grundzins und Weingült nebst einigen anderen Abgaben in barem Geld entrichtet werden. Zusätzlich erwuchsen dem Wein durch das starke Vordringen des Bieres und dem gleichzeitigen Siegeszug des Bohnenkaffees zwei entscheidende Konkurrenten, die die Trinkgewohnheiten von Grund auf veränderten. Hinzu kam, daß viele Klöster und Stifte aufgelöst wurden, es gab Handelsschranken und Zölle auf den Wein, und mit der Industrialisierung gab es die Möglichkeit eines sicheren Broterwerbs, so daß man den schwierigen Weinbau aufgab. Rückgänge in der Anbaufläche, vor allem in minderen Lagen, von 150 ha pro Jahr waren die Folge.

 

Es hatte zwar schon im 18. Jahrhundert Stimmen gegeben, die zu einem Umdenken von Quantität nach Qualität aufriefen wie den Marktbreiter Winzer und Weinhändler Johann Christian Fischen Er schreibt in seinem 1782 erschienenen Buch »Der Fränkische Weinbau und die daraus entstehenden Produkte patriotisch und physikalisch beschrieben«: »Wenn künftig meine Landsmänner die besten Gattungen Weintrauben. und jede besonders pflanzen; die Zöglinge sorgfältig und natürlich behandeln, fruchtbares, kurzes und nicht vieles Holz anschneiden, die Erde fleißig umgraben; das überflüssige Holz, das dem guten die Nahrung entzieht, ausbrechen; die Reben an die Wände ziehen, oder dem runden Stock durch geschicktes Abblatten mehr Sonne und Luft verschaffen: bey der Weinlese die Trauben auswählen, und solche sorglich ihrer Kämme befreyen; jede Gattung Mostes besonders behandeln, und die eindringende Luft, als die Pest des Weines abhalten; endlich ablassen (vom Trub abziehen) wie ich es erwehnet habe: so wird niemand träumen, den guten Fraukenwein verachten, sondern er wird sich durch seine vorzüglichen Eigenschaften empfehlen. Kein edler Franke lasse sich mehr einfallen, seinen guten Weinen die Masque fremder Weine zu geben.»

Während der Kriegsjahre um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert waren Sorten gepflanzt worden, welche mehr der Quantität als der Qualität dienten, wenngleich die fürstbischöflich- würzburgische Regierung in der Zeit von 1702 bis 1804 die vier Traubensorten Tauberschwarz, Elbling, Hammelhoden (Trollinger) und sogar den Österreicher (Silvaner) im Mischsatz verboten hatte. Auch waren die Weinberge überaltert und durch eine mangelhafte Bewirtschaftung in weiten Teilen des Landes heruntergekommen.

Der Weinbaupionier Dr. Peter Ungemach, Rentbeamter beim Bürgerspital in Würzburg, auf dessen Initiative hin im Jahre 1836 der Fränkische Weinbauverein gegründet worden war, erkannte die (schlechten) Zeichen der Zeit. Er bemängelte die ungenügende fachliche Ausbildung der Winzer und regte die Gründung einer Weinbauschule an, die jedoch noch 40 Jahre auf sich warten ließ.

Auch wußte Ungemach um die Fortschritte in der Kultur der Rebe und der Bereitung hochwertigerer Weine am »Ober- und Mittelrhein«, was ihn zu dem Vorschlag veranlaßte, fränkische Winzer auf Kosten des Weinbauvereins dorthin zu schicken. Seinem Begehren wurde entsprochen, und bald wußte man in Franken um diese Neuerungen in der Rebkultur und begann sie hier umzusetzen.

Weinberge wurden unter großem finanziellen Aufwand gerodet und neu angelegt, wobei man vor allem den Qualitätsrebsorten Riesling, Traminer, Ruländer und Schwarzidävener (Spätburgunder) den Vorzug gab. Es wurde mehr und mehr Wert auf reinsortige Pflanzung gelegt und man machte sich die Vorteile der geradzeiligen Rebenerziehung zunutze. Ebenso lernte man, Lesetermin und Traubenreife aufeinander abzustimmen.

Auch die Kellereinrichtungen waren zu verbessern, sie mußten den neuen weinbaulichen Maßnahmen angepaßt werden. Die meist erst versuchsweise angebauten Rebsorten und die nach verschiedenen neuen Erkenntnissen in Anbau und Ernte gewonnenen Trauben mußten separat verarbeitet und zu Wein bereitet werden. Deshalb ersetzte man die großen Fässer in den Kellern durch kleinere Einheiten, eben den Versuchsbedingungen angepaßt.

So kam der damals »Königliche Hofkeller« unter der Würzburger Residenz zu seinem berühmten »Stückfaßkeller«, der »guten Stube« des Hauses, die über unzählige festliche Weinproben erzählen könnte. In diesem mächtigen Keller nutzte man die Höhe der Gewölbe, indem man Doppellager erstellte, auf denen schließlich 404 Fässer mit je etwa 1100 Liter Fassungsvermögen in vier Reihen Platz fanden. Der erste staatliche »Versuchskeller« war geboren. Ein Glück, daß dieser Keller der Zerstörung bei Kriegsende entging und noch heute in seiner ursprünglichen Form für festliche Veranstaltungen zum Wohle des Frankenweins zur Verfügung steht.

Die Maßnahmen hatten Erfolg, die Auswirkungen auf die Qualität und den Ruf des Frankenweins waren sehr positiv.

Ebenfalls ein Pionier ersten Ranges in Sachen Pflanzung besserer Sorten, reinsortigem Anbau und geradzeiliger Rebenerziehung mit sortenreinem Weinausbau war der Bärenwirtsohn Sebastian Englert aus Randersacker (1804-1880). Er gründete 1874 im Mönchshof die erste Weinbauschule in Franken, er sorgte für eine Aufbewahrung der Randersackerer Winzerskinder, er begann mit der Kreuzung von Sorten mit dem Ziel der Ertragssteigerung und züchtete bereits 1853 aus Riesling und Silvaner die ertragreiche, aber leider sehr spät reifende Sorte Bukettrebe, die auch »Bocksbeutelrebe« genannt wurde. Er hatte auch das im Jahrhundert zuvor ausgesprochene Verbot des Österreichers (Silvaner) kritisiert, indem er darauf hinwies, daß man bei dessen Pflanzung nicht immer die erforderliche gute Weinbergslage auswählte. Er verhalf dem Silvaner wieder zu dem ihm gebührenden Stellenwert.

Zum Mitmeister der deutschen Rebenzüchtung wurde der Edenkobener Gustav Adolf Froelich (1847-1912). Sein Gedankengut griff der Marktbreiter Ökonomierat August Ziegler in der königlichen Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau in Veitshöchheim auf indem er bereits 1914 in der Veitshöchheimer Lage "Loden" einen Rebenzuchtgarten für die Sorten Riesling, Silvaner und Müller-Thurgau anlegen ließ. Tatkräftig unterstützte ihn dabei der fränkische Landesinspektor für Weinbau, August Dem, der die Müller-Thurgau-Rebe wieder aus der Schweiz mitbrachte und erstmalig im Jahr 1913 in einem Versuchsgarten Lohr-Sendelbach anpflanzte.

In der Lage »Würzburger Schloßberg«, am Hang zwischen der Kirche St. Burkard und der Feste Marienberg gelegen, gibt es den sicherlich ältesten Müller-Thurgau-Weinberg zumindest Frankens. Er geht auf das Pflanzjahr 1925 zurück. Man findet dieses Kleinod innerhalb des etwa zwei Hektar großen Schloßbergs, wenn man den Weinwanderweg zur Feste Marienberg begeht, der hinter St. Burkard seinen Anfang nimmt. Rechts der Treppenstufen, gleich am Fuße des Weinbergs, kann man die alten Stöcke an ihrem mächtigen Stamm erkennen. Interessant ist auch zu erwähnen, daß diese alten Stöcke nicht veredelt oder gepfropft wurden, sondern daß es sich um »wurzelechte« Reben handelt. Hier steht also noch Pflanzmaterial aus den Anfängen der Müller-Thurgau-Rebe in Franken.

Hatten die vorgenannten Gründe den fränkischen Weinbau schon deutlich gezehntet, so suchte ab 1902 noch eine weitere Geißel die Wengerte heim: die aus Erfurt eingeschleppte Reblaus, die erstmals in Sickershausen festgestellt wurde und die fränkische Anbaufläche nochmals halbierte (1895 gegenüber 1922). Gott sei Dank griff ab 1920 die bisher einzig aktenkundige kulturelle Großtat Amerikas, indem durch Rückkreuzungen von europäischen Reben mit amerikanischen Wildsorten reblausresistente »Unterlagen« gezüchtet wurden. Diese erfolgten am Kaiser-Wilhelm-Institut Berlin-Müncheberg, Außenstelle Naumburg, wo sich Carl Börner (1880-1953) mit diesbezüglichen Kreuzungs- und Selektionsarbeiten besondere Verdienste erworben hat.

Man kann den absoluten Tiefpunkt im fränkischen Weinbau also für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg konstatieren. Für eine Erholung blieb wenig Zeit, so daß der kontinuierliche Aufschwung eigentlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der Währungsreform einsetzte.

Neben dem bereits deutlich vollzogenen Schritt zum Qualitätsweinbau waren zwei Faktoren für diesen Aufschwung maßgebend: die Gründung der Winzergenossenschaften und die Weinbergsflurbereinigungen.

In den knapp sechzig Jahren zwischen der Gründung der ersten Winzergenossenschaft in Sommerach im Jahr 1904 und dem Zusammenschluß von acht örtlichen Winzergenossenschaften zur Gebietswinzergenossenschaft Franken im Jahr 1959, der sich danach noch weitere vier Kelterstationen anschlossen, hat sich die Statistik wie folgt geändert: Zu Beginn dieses Jahrhunderts mußten 62 % des fränkischen Weinangebotes von Kleinstwinzern mit einer Rebfläche von unter 1 ha vermarktet werden, während 1970 42,5 % des Frankenweines über die Genossenschaften vermarktet wurden, wobei die Durchschnitts-Flächengröße des Einzelmitglieds immer noch bei mageren 0,40 ha lag. Heute liegt der Vermarktungsanteil von Genossenschaften und Erzeugergemeinschaften bei 53 %, die Durchschnitts-Flächengröße bei 0,7 ha.

Seit der ersten Weinbergsflurbereinigung in Erlenbach bei Marktheidenfeld im Jahr 1954 wurden mittlerweile rund 3200 ha Weinberge flurbereinigt, was etwas mehr als die Hälfte der derzeitigen Gesamtanbaufläche von 6300 ha ausmacht.

Winzergenossenschaften und Weinbergsflurbereinigungen haben den Frankenweinanbau entscheidend beeinflußt; es wurden zwar viele Fehler, teilweise sogar nicht mehr gutzumachende begangen, unterm Strich bleibt dennoch das Positive, denn wäre über die Genossenschaften nicht die Vermarktung gesichert worden und hätte die Flurbereinigung nicht die unseligen Folgen der fränkischen Realteilung im Erbrecht beseitigt, könnten wir heute Kleinstwinzer samt ihren Wengerten allenfalls noch in einem Freilandmuseum besichtigen.

Den Genossenschaften war eine Geschmacksnivellierung und eine zeitweise recht kritiklose Huldigung des Zusatzes von Süßreserve (Traubenmost) zur »Geschmacksabrundung« des Weins anzulasten, die jedoch mittlerweile der Vergangenheit angehört; die Flurbereinigung hat aus ökologisch vielfältigsten Lebensräumen teilweise seelenlose Monokulturen gemacht, aber es ist noch nicht aller Tage Abend und vielleicht folgt dem Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« und der Umbenennung der Flurbereinigungsämter in »Ämter für ländliche Entwicklung« eines Tages noch der Wettbewerb »Unser Weinberg soll ökologischer werden«. Deutlich wohltuende Ansätze hat es hierfür bereits in Ziegelanger gegeben, wo die Unterhänge bei der Bereinigung mehr oder weniger dem Kommerz geopfert wurden, dafür aber Mäuerchen, Hecken und Kleinstrukturen aller Art im Oberhang erhalten geblieben sind.

Noch eine Bereinigung war aus Vermarktungsgründen sicher nötig, nämlich die den Weinbergslagen, und es war wohl auch legitim, daß man renommierte ehemalige Kleinlagen wie Volkacher Kirchberg, Kitzinger Hofrat oder Thüngersheimer Ravensburg zu Großlagen umtaufte. Auch hier ist der Bumerang bereits wieder zurückgekommen, indem nämlich diese Lagen in Kennerkreisen nur noch sehr kritisch und erzeugerbezogen gesehen werden; vielleicht gibt es auch hier dereinst eine Zweitbereinigung, und Escherndorfer Eulengrube, Iphöfer Kammer und Würzburger Heinrichsleite feiern wieder fröhliche Urstände.

 

Auszug aus Das neue Buch vom Frankenwein mit freundlicher Genehmigung des Echter-Verlags

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